Elektrodenmaterialien mit optimalen Leerlaufspannungen (OCVs)

Batterien

Eine wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien (LIB) ist das Erreichen einer hohen Energiedichte oder spezifischen Energie, was beispielsweise für die Reichweite von Elektrofahrzeugen relevant ist. Die Energiedichte einer Batteriezelle hängt zu großen Teilen von den verwendeten Materialien ab, weshalb die Suche nach einer optimalen Zusammensetzung der Komponenten einer Batteriezelle ein wichtiger Aspekt der Forschung und Entwicklung ist. Dabei sollte möglichst auch die Verwendung von seltenen und teuren Elementen vermieden werden, sowie die Stabilität der Materialien beachtet werden.

Ausgangslage

Um die Energiedichte zu verbessern, lohnt sich ein Blick auf die Leerlaufspannung (engl. open circuit voltage, OCV). Die Leerlaufspannung ist die Spannung zwischen den Elektroden, wenn die Batteriezelle im Gleichgewicht ist ohne angeschlossenen Verbraucher. Beim Entladen einer LIB werden Lithium-Ionen von der Anode zur Kathode transportiert und dort ins Kathodenmaterial eingelagert, wobei die elektrische Energie von einem Verbraucher genutzt wird. Die Spannung lässt sich aus der Energieänderung bei der in der Zelle zwischen Kathode und Anode stattfindenden Reaktion ermitteln – wofür quantenchemische Simulationen ideal geeignet sind. Dies kann in Abhängigkeit des Ladezustands (engl. state of charge, SOC), also in Abhängigkeit des Lithium-Gehalts der Elektrodenmaterialien, simuliert und so das Spannungsprofil bestimmt werden. Ein geeignetes Kathodenmaterial sollte eine hohe Spannung aufweisen, während ein Anodenmaterial eine niedrige Spannung verglichen zu metallischem Lithium haben sollte. Bei dem Spannungsprofil ist es meist wünschenswert, dass sich die Spannung während der Lade-Entlade-Zyklen nur geringfügig ändert (flaches Profil). Zielsetzung unserer Simulationen ist es, mithilfe des Quantistry Labs die Leerlaufspannungen potenziell vielversprechender Materialien vorherzusagen und optimale Kandidaten für LIBs zu identifizieren.

Simulationsansatz

Für diesen Anwendungsfall haben wir zwei exemplarische Kathodenmaterialien gewählt: Lithium-Cobalt(III)-Oxid (LiCoO2) und das Li-reiche Lithium-Mangan(IV)-Oxid (Li2MnO3). Mit Hilfe des Quantistry Labs wurden quantenchemische Simulationen der Materialien durchgeführt, um die Leerlaufspannungen in Abhängigkeit vom Ladezustand der Batterie zu bestimmen, d.h. als Funktion der Anzahl x an eingelagerten Lithium-Ionen (LixCoO2, LixMnO3). Anschließend wurden die Spannungen bezüglich einer Referenz ermittelt (hier eine Li+/Li Anode).

Kernergebnisse

Lithium-Cobalt(III)-Oxid

Abbildung 1 zeigt das simulierte Spannungsprofil der LiCoO2-Kathode. Zunächst werden die 3D-Strukturen des Materials in Abhängigkeit des Ladezustands bestimmt. Zwei dieser Strukturen mit hohem und niedrigem Lithium-Gehalt sind in Abb. 1 dargestellt (LixCoO2 mit x = 1 und x = 0.25; Lithium-Ionen in lila). Es wird eine Spannung von etwa 4 V in Bezug auf eine Li+/Li Referenz-Anode erreicht. Man kann außerdem erkennen, dass die Spannung mit abnehmendem Lithium-Gehalt (d.h. beim Laden) von 3,7 V (LiCoO2) auf über 4,2 V ansteigt (LixCoO2 mit x < 0.3). Diese Beobachtungen sowie die simulierten Spannungen stimmen hervorragend mit dem Experiment [1] überein.

Simuliertes Spannungsprofil einer LiCoO2-Kathode als Funktion des Ladezustands.

Quantistry 2022

Darüber hinaus liefern die Simulationen Informationen über die Änderung der Ladungsverteilung innerhalb des Elektrodenmaterials in Abhängigkeit des Ladungszustands. Abbildung 2 – die Ergebnisansicht einer Simulation im Quantistry Lab – veranschaulicht beispielsweise die Ladungen der Atome in LiCoO2 (rot: negative Ladung; blau: positive Ladung). Durch den Vergleich verschiedener Ladezustände lässt sich feststellen, wie sich der Ladungstransfer z.B. bei der Entladung verhält: in diesem Fall steigt vor allem die negative Ladung von Sauerstoff an, es wird also hauptsächlich Sauerstoff reduziert bei der Lithium-Einlagerung in LixCoO2.

Quantistry Lab Ergebnisansicht: Ladungsverteilung in LiCoO2.

Quantistry Lab 2022

Lithium-Mangan(IV)-Oxid

Lithium-Mangan-Oxide sind ebenfalls von Interesse als Kathodenmaterialien für LIBs. Nicht nur die Eigenschaften dieser Materialien machen sie zu attraktiven Kandidaten, sondern auch die gute Verfügbarkeit von Mangan. Das simulierte Spannungsprofil des Lithium-reichen Li2MnO3 als Funktion des Ladezustands ist in Abbildung 3 zu sehen (LixMnO3 mit x = 2 bis zu x = 1, siehe Strukturen im Inset von Abb. 3). Verglichen zu LiCoO2 weist Li2MnO3 eine höhere Spannung auf (ca. 4,5 V vs. Li+/Li), die außerdem über verschiedene Ladezustände hinweg relativ konstant bleibt.

Simuliertes Spannungsprofil einer Li2MnO3-Kathode als Funktion des Ladezustands.

Quantistry 2022

Zusammenfassung

Das Quantistry Lab ermöglicht es einfach und schnell quantenchemische Simulationen verschiedener Elektrodenmaterialien durchzuführen, etwa im Rahmen eines High-Throughput-Screenings. In diesem Anwendungsbeispiel wurden die Leerlaufspannungen von LiCoO2- und Li2MnO3-Kathodenmaterialien in Abhängigkeit des Ladezustands berechnet. Die Spannungen können für verschiedene Materialzusammensetzungen, Dotierungen etc. simuliert werden und so Elektroden mit optimalen Leerlaufspannungen identifiziert werden. Dies ist insbesondere als automatisiertes Screening neuer Materialien interessant. Vor allem die Wahl der Elemente und ihrer atomaren Positionen in einem Material ist ein entscheidender Faktor für das Spannungsprofil. Darüber hinaus kann der Einfluss von Defekten oder Sauerstoffverlust auf die Spannungen untersucht werden. Die Volumenänderung der Elektroden während der Einlagerung von Lithium-Ionen ist ein weiterer wichtiger Faktor für die Stabilität der Batteriezelle bei Lade-Entlade-Zyklen, der ebenfalls mit unseren Simulationen bestimmt werden kann. Eine Optimierung der Elektrodenmaterialien ist wiederum ein wesentlicher Aspekt, der zur Verbesserung der Energiedichte einer Batteriezelle beitragen kann. Natürlich kann die Optimierung auch in Hinblick auf die Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit der verwendeten Elemente durchgeführt werden.

[1] T. Okumura, Y. Yamaguchi, M. Shikano, and H. Kobayashi, Correlation of lithium ion distribution and X-ray absorption near-edge structure in O3- and O2-lithium cobalt oxides from first-principle calculation, J. Mater. Chem. 22, 17340 (2012).